
Cesare Siepi, der italienische Bariton mit der Stimme eines Engels und der Bühnenpräsenz eines Löwen, hat über Jahrzehnte hinweg die Welt des Operngesangs revolutioniert. Doch neben seinen unvergesslichen Interpretationen von Mozart, Verdi und Puccini hütet Siepi ein Geheimnis: seine Leidenschaft für den Tanz.
In den 1960er Jahren, als der Ballett-Boom in Europa seinen Höhepunkt erreichte, entdeckte Siepi die faszinierende Welt des zeitgenössischen Tanzes. Die kraftvollen Bewegungen, die emotionalen Geschichten und die innovative Choreografie sprachen ihn tief an. Doch es war mehr als nur eine flüchtige Faszination.
Siepis Vision war ambitioniert: er wollte Oper und Ballett fusionieren und ein neues, hybridisches Kunstgenre schaffen.
Ein Abend, der in die Geschichte eingehen sollte, markierte den Beginn seiner revolutionären Idee. Im Jahr 1968 trat Cesare Siepi im Teatro alla Scala in Mailand auf, nicht wie gewohnt mit einer Opernarie, sondern als Teil eines Ballettstücks unter der Leitung des legendären Choreographen Maurice Béjart.
Die Vorstellung war ein Skandal! Die Kritiker waren gespalten: einige feierten die innovative Verbindung von Gesang und Tanz, andere verurteilten Siepis Ausflug ins Unbekannte als Blasphemie gegen die traditionelle Oper.
Doch das Publikum war begeistert! Der Saal tobte, als Siepi mit seiner kraftvollen Stimme die Geschichte des Ballettstücks erzählte, seine Präsenz auf der Bühne elektrisierte. Dieser Abend wurde zum Wendepunkt in Siepis Karriere – und zur Geburtsstunde eines neuen künstlerischen Ausdrucks.
Die “Cesare Siepi Ballett Company” – Eine Vision wird Realität:
Angetrieben von dem Erfolg des Teatro alla Scala Auftritts, gründete Siepi im Jahr 1970 seine eigene Ballettkompanie: die “Cesare Siepi Ballett Company”. Siepi rekrutierte talentierte Tänzer aus ganz Europa, darunter auch einige ehemalige Mitglieder der Béjart Ballet Lausanne.
Die Kompanie tourte durch Italien, Frankreich, Deutschland und sogar die USA. Ihre Inszenierungen waren eine Mischung aus klassischem Ballett, zeitgenössischen Tanzformen und Opernarialien. Siepis Stimme wurde zum unverzichtbaren Element, das den Tanz performances
eine zusätzliche emotionale Ebene verlieh.
Die Kontroverse um die “Ballerina mit dem roten Kleid”:
Ein Skandal erschütterte jedoch bald die “Cesare Siepi Ballett Company”. Während einer Tournee durch Spanien im Jahr 1973 sorgte eine Tänzerin namens Isabella Rossi für Aufruhr. Rossi trug in der Performance ein auffällig rotes Kleid, was von einigen Kritikern als unangemessen und provokativ empfunden wurde. Die
Konsequenzen waren dramatisch: Rossi wurde aus der Kompanie entlassen und Siepis Ruf als innovativer Visionär litt unter den negativen Schlagzeilen.
Das Comeback und das Erbe:
Trotz des Skandals kämpfte Siepi weiter für seine Vision. Er gründete eine neue Ballettkompanie, die sich auf traditionelle Opernballette konzentrierte, jedoch immer noch Elemente der modernen Tanzkunst integrierte.
Die “Cesare Siepi Ballett Company” erlangte internationale Anerkennung und beeinflusste eine Generation von Tänzern und Choreographen.
Siepis Erbe lebt bis heute fort. Seine Vision einer Fusion von Oper und Ballett hat den Weg für zahlreiche moderne Produktionen geebnet, die Musik und Tanz auf neue und kreative Weise miteinander verbinden.
Die Geschichte des “großen italienischen Ballettsturms” zeigt, dass wahre Innovation oft mit Kontroversen einhergeht – doch
Siepis Mut, Grenzen zu überschreiten, hat eine neue Ära im Kunstgeschehen eingeläutet.